Gaza-Friedensplan: Was die Waffenruhe in Gaza nun torpedieren könnte
Auf dem Papier wirken die Pläne beeindruckend: Geht es nach den USA, soll die zweite Phase des sogenannten Friedensplans für Gaza zügig umgesetzt werden. Ein Friedensrat soll überwachen, wie eine internationale Stabilisierungsgruppe die Kontrolle im Gazastreifen übernimmt, die Hamas damit ablöst und die Präsenz der israelischen Armee überflüssig macht.
Dafür soll erst eine internationale Stabilisierungsgruppe installiert werden und sich Israel dann zurückziehen. Das berichten internationale Nachrichtenagenturen über den aktuellen US-Resolutionsentwurf für den UN-Sicherheitsrat.
Doch es gibt ein Problem: Die Sicherheitsratsmitglieder Russland, China und Algerien sollen gegen den Plan sein. Die Staaten verlangen klare Vereinbarungen darüber, wie ein palästinensischer Staat geschaffen werden und die israelische Armee abziehen soll. Aktuell halten die Streitkräfte mehr als die Hälfte des Gazastreifens unter ihrer Kontrolle. So berichten es israelische Medien.
Wie also soll die Waffenruhe in Gaza langfristig gesichert werden, wenn sich entscheidende Akteure über ihre Umsetzung uneinig sind?
Der US-Plan lässt sich nur schwer umsetzen
Einen Monat dauert die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas schon an, doch weiterhin klafft eine grosse Kluft zwischen dem US-Friedensplan und der Realität des Konflikts. In der Frage der Entwaffnung der Hamas etwa nähern sich die USA und Israel weiterhin nicht an. Die USA wollten eine schrittweise Abrüstung der Hamas, die mit einem Rückzug Israels einhergeht, schreibt dazu Eldad Shavit, Experte am Israelischen Institut für nationale Sicherheit (INSS). Israel forderte, die terroristische Infrastruktur zu zerschlagen, bevor seine Truppen sich in Gaza zurückziehen könnten.
Wie schwierig sich der US-Plan umsetzen lässt, zeigt ein aktuelles Beispiel: Unter Rafah, der von Israel kontrollierten Grenzstadt im Süden Gazas, sollen sich noch etwa 200 Hamas-Terroristen befinden, berichtet die Washington Post unter Berufung auf einen ehemaligen ägyptischen Beamten. Es sei unklar, ob und wann die Männer die Tunnel verlassen würden und wohin. Eine Idee läge auf dem Tisch: Die Terroristen sollten entwaffnet und in ein Drittland abgeschoben werden.
In der Regierungskoalition von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wächst dagegen Widerstand. Sie würden jeden Deal ablehnen, der Israel 200 weitere Terroristen koste, sagte etwa der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich dazu vergangene Woche. Die Terroristen laufen zu lassen, sei ein Verrat an den gefallenen israelischen Soldaten.
Tatsächlich drohen Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner oft mit einem Koalitionsbruch, aber belassen es oft dabei. Mehrfach kündigten sie an, die Regierung zu verlassen, sollte Netanjahu einem Kriegsende in Gaza zustimmen. Doch letztlich blieben sie in der Regierung. Trotz fragiler Waffenruhe zeigt sich: Israel richtet sich zunehmend nach den US-Vorgaben. Beobachter führen das vor allem auf den gescheiterten Angriff auf die Hamas-Führung in Katars Hauptstadt Doha im September zurück.
Das habe «die Tür zu einer der möglicherweise wichtigsten Veränderungen in der Nahostpolitik der USA seit Jahrzehnten geöffnet», schreiben Elizabeth Dent, frühere leitende Mitarbeiterin im US-Verteidigungsministerium, und James F. Jeffrey, einst US-Sonderbeauftragter für Syrien in Foreign Affairs. Trump sei demnach nicht nur wegen des Angriffs über Netanjahu verärgert gewesen. Er habe auch eine beispiellose Durchführungsverordnung erlassen: Ein bewaffneter Angriff auf den US-Verbündeten Katar gelte fortan als «Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der Vereinigten Staaten». Diese Blankozusage der USA könne die Sicherheitsbeziehungen zwischen den Golfstaaten und den USA neu vermessen.
Ein von Machtspielern geprägter Konflikt
Seitdem die Hamas Israel vor über zwei Jahren angegriffen hat und dadurch den Gazakrieg auslöste, sortieren sich die Machtverhältnisse im Nahen Osten neu. Das Regime in Iran wirkt so geschwächt wie lange nicht. Auch für die Hamas bedeutet das vereinbarte Waffenruheabkommen eine Niederlage. Als Gewinner dürften sich die Vermittler des Abkommens fühlen: Am US-Resolutionsentwurf für den UN-Sicherheitsrat sollen Katar, Ägypten, Saudi-Arabien, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate mitgearbeitet haben.
Das Veto Russlands und Chinas markiert einen neuen Höhepunkt der Neusortierung und legt ein altes Problem bloss: Der israelisch-palästinensische Konflikt wird seit je von externen Machtspielern geprägt. Jacob Magid schreibt dazu in der Times of Israel, manche Reaktionen auf den US-Vorschlag führten zu typisch-diplomatischem Feilschen. Doch die Einwände gegen den Übergangsrat zeigten, wie gross die Gräben zwischen Teilen des UN-Sicherheitsrats und den USA geworden seien.
Weil nicht nur Israel und die Hamas ein Fortkommen erschweren, bleibt unklar, ob die umfassenden Pläne für Gaza tatsächlich greifen können. In ihrer Stellungnahme zum Resolutionsentwurf warnen die USA, wer nun, mitten in den Verhandlungen «Zwietracht sähe», richte schwere, vermeidbare Schäden für die Palästinenser im Gazastreifen an.
Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.

